Vorgeschichte
Öko-regional, direkt, kooperativ seit 1974
Vom Kloster Köln-Porz 1974 über die Koop „Himmel un Ähd“ 1979 zu „Alles möglich“ 1987 mit „Ökologisch Handeln“ 1990 & „Ökologische Marktwirtschaft“ 2000 bis zur „Öko-Regionalen“ 2023 in der Heerstraße
Wir schrieben das Jahr 1974.
In Düsseldorf gab es noch keinen Bioladen, als der rote Klaus – das schwarze Schaf des Bäckervaters Kamps – im alten Kloster Porz bei Köln einen fetten Mauermann Dampfbackofen entdeckte. Roter Klaus hieß er, weil er uns immer den leckeren roten Libanon aus Amsterdam mitbrachte, den wir damals so gerne rauchten. Und da man beim Kiffen immer auf die verrücktesten Ideen kam – wieso also nicht endlich mal richtig gutes vernünftiges Brot backen – Bio natürlich – gegen all die weißen Pappbrote bei denen man nach 2 Stunden schon wieder Hunger hatte…
Drei Tage brauchte er, bis der Ofen auf 300°C hochgeheizt war und wir dann die ersten 20 Brote backen konnten.
Die Freaks im Klosters waren begeistert, obwohl die Brote noch knüppelhart waren – denn wir hatten den Schwadenzug vergessen – aber es ging dann trotzdem weiter. Immer mehr wollten unser Brot und so ging der Ofen dann bald nicht mehr aus.
Das leckerste Brot war ein rundes Weizen-Sesam bei dem wir den Sesam geschrotet rösteten und in den Teig einkneteten. Macht heute keiner mehr – dauert zu lange.
Das nötige Getreide – musste natürlich Bio sein – kam von den Demeterhöfen Etzweiler und Haus Bollheim. Übrigens: Mittlerweile ist der Hof Etzweiler im Hambacher Loch verschwunden, aber vom Haus Bollheim holen wir jetzt, fast 50 Jahre später, immer noch das frischeste Gemüse ab – um 9 Uhr geerntet und ab 13 Uhr bei uns im Laden.
Von Woche zu Woche wurden immer mehr Brote gebacken und dann waren es bald Hunderte, die unverpackt aus Wäschekörben in der Düsseldorfer Altstadt (Ratinger Hof, Uel und Ohme Jupp), sowie in Köln und Alfter verkauft wurden – für 3 Mark damals.
Der Spaß und Erfolg, den alle dabei hatten, wurde dann natürlich durch das Ordnungsamt gestoppt – erst weil die Mühle angeblich nicht im Ofenraum stehen durfte und als die dann im Nebenraum stand, waren zu wenig Fenster in der Backstube.
Aber da war es schon zu spät, die zahlreichen Kunden wollten weiterhin Bio-Vollkornbrot und keiner wollte mehr mit dem Backen aufhören.
Also konnten wir dann bei Wesseling im Urfeld auf der Lichtstraße beim Bäckermeister Engels, der eine Mehlstaublunge hatte, weiter backen. Dieses Brot fuhr ich dann eine Zeitlang noch bis zum Troxlerhaus nach Wuppertal.
Bei mir zuhause war ein kleines Biolager entstanden mit Roggen, Weizen, Hafer, Sesam und Sonnenblumenkernen, allen möglichen Nüssen, Honig und was man sonst so braucht. Das war dann der Anfang einer kleinen privaten Kooperative – anfänglich mit 13 und dann mehr Leuten.
Der Versuch, 1977 den ersten Düsseldorfer Bioladen „Regenbogen“ auf der Ulmenstraße zu eröffnen, wurde leider durch 30 Monaten Staatsurlaub verhindert. Die Richter wollten Cannabis damals noch nicht legalisieren.
Zwei Jahre später gründeten wir 1979, die Food-Coop „Himmel un Ähd“ am Rather Broich und zogen 1 Jahr später auf die Ludenberger Straße 31.
Zusammen mit den schon 150 Mitgliedern der „Krefelder Verbrauchergemeinschaft“ und ein paar kleinen Läden wurde dann die „Kornkraft e.G“ als regionale Bio-Großhandels-Genossenschaft in Krefeld gegründet, die regional im Umkreis von 80km das Biogemüse der Öko-Verbandshöfe einsammelte und an Bioläden und Koops verteilte. Weiter wollten die Depots damals aus ökologischen Gründen nicht fahren.
„Himmel un Ähd“ zog 1982 zur „Werkstatt“ Börnestraße und 1984 in die ESG Witzelstraße, wo 1986 die „Bundesarbeitsgemeinschaft der Food-Coops“ gegründet wurde – www.foodcoop.de. 1988 bezog die Koop im Niemandsland Heerstr. 19 endlich eigene Räume unter dem Namen „Alles Möglich“ und wuchs bis auf 105 Haushalte.
In dieser Zeit war der Boscheidehof von Angelika und Clemens Toschki nördlich von Krefeld für unsere Koop ein Höhepunkt gelebter Kooperation. Unsere Koop erntete mit ihnen zusammen ein riesiges Kartoffelfeld, wir bekamen regelmäßig bei ihnen frisch gemolkene Rohmilch in 25 Liter-Kannen und mit unserem LKW holten wir mit Clemens Heu und Getreidesaatgut und was er so von anderen Höfen brauchte.
Als dann in den 90ern der Konflikt zwischen Koops und Bioläden eskalierte – kleineren Bioläden machten die Koops mit ihren geringeren Preisen Probleme – beschloss ein Großhändler namens Weiling, das System der Regional-Großhandelsdepots zu knacken, indem er die Bioläden mit der Begründung, keine Koops zu beliefern, an sich band.
So verlor die Kornkraft zuerst Aachener Bioläden, die sich gegen die große Querbeet-Koop behaupten wollten und dann auch woanders immer mehr. . In der Eskalation dieses Konflikts – wollten die Bioläden die Koops aus der gemeinsamen Genossenschaft rausschmeissen.
Als Mitglied des Aufsichtsrats der Kornkraft e.G. konnte ich das mit den 150 Mitgliedern der alten Krefelder Verbraucher-Gemeinschaft, die die Kornkraft eG ja gegründet hatten, verhindern.
Man einigte sich allerdings auf einen Kompromiss, wodurch die Koops dann einen 15%igen Aufschlag auf ihre Einkäufe zahlen mussten. Das anfangs gemeinsame Entwicklungsinteresse unterlag also – auch in der Genossenschaft – professionellen Gewinninteressen. Von daher gründeten wir mit 10 anderen rheinischen Koops einen eigenen Großhandel, die „Ökologisch Handeln GmbH“, weil ja auch eine Genossenschaft nachweislich nicht vor Profit- und Eigeninteressen schützte. Außerdem war es – und ist es immer noch – bedeutend einfacher, eine GmbH zu gründen als eine eingetragene Genossenschaft
Überhaupt veränderte sich in den 90ern die professionelle Bioszene stark in eine am Kapital orientierte Profitstruktur. Als die ersten Bioläden 3-5 % des Gesamtmarktes erreicht hatten, stiegen zunehmend Rendite-Player in den Markt ein.
Aldi, Lidl und Co taten so als wäre EU-Bio genauso gut wie Bioland, Demeter, Naturland und andere Anbauverbände mit strengeren Richtlinien. Die Auswirkungen der schlechteren EU-Richtlinien auf Produkte, Bodenqualität und Tierhaltung wurden natürlich gar nicht diskutiert. Aber selbst bisher hochgradig motivierte Bio-Großhändler eröffneten auch direkt neben ihren alten Bioladen-Kunden Supermärkte – denns, alnatura, weiling u.a. – und trieben einige kleine Bioläden damit in den Ruin.
Als dann auch in den Discountern überall billige EU-Bioware auftauchte, wurde die kooperative Notwendigkeit der Mitarbeit in den Koops unattraktiv – sie verloren Mitglieder, trockneten aus und gingen ein – wie auch „Alles Möglich“ um 1996. Warum kooperativ mitarbeiten, wenn an jeder Ecke EU-Bioware billig zu bekommen war.
Viele große und kleine Bio-Höfe eröffneten zunehmend, um nicht zu darben, selbst Hofläden oder verteilen Abokisten und wurden so zusätzlich zur Konkurrenz kleinerer Bioläden. Wir machten anno 2000 nochmal einen Neuanfang mit einem kooperativen Beteiligten-Modell – der „Ökologischen Marktwirtschaft-GmbH“, denn eine Genossenschaft war durch den Prüfungsverband immer noch sehr umständlich zu gründen. Die Beteiligten waren Eigentümer des Ladens, zahlten eine Einlage und einen Monatsbeitrag, konnten mitarbeiten und bestimmen, wie der Laden arbeiten sollte und kauften rabattiert günstiger ein.
Durch hochgradig motivierte, kompetente Mitarbeiter und treue Beteiligte konnte sich die Ökoma erfolgreich bis zur Pandemie behaupten, wurde aber dann im Lockdown umsatzverlustig ruinös und musste 2022 aufgeben, was den Verlust der nachrangigen Einlagen bedeutete. Um die Ökoma nicht komplett schließen zu müssen, übernahm ich die Gesellschafteranteile und die vorhandenen Schulden und zahlte den Kunden ihre Warenvorauszahlungsguthaben, die sie noch hatten, aus.
Das tat weh – mit anzusehen, dass die Discounter die Schlacht um den Bio-Markt gewonnen zu haben scheinen, weil inflationsbedingt fast alle gezwungen waren – und noch sind – ihre Euros dreimal umzudrehen und viele deshalb möglichst billiges EU-Bio kaufen.
Wenn wir jetzt versuchen, mit der „Öko-Regionale“ die Großhandels–Ebene zu verlassen, um die kleinen regional wirtschaftenden Höfe der Anbauverbände – bio-kreis, Naturland, bioland und demeter – zu stärken, sind wir auf bewußte und engagiert einkaufende Kunden angewiesen. Den Massenmarkt können wir nicht aufhalten, und gegen Werbelügner wie penny mit „Naturland ist besser als bio“, sind wir umso machtloser, je unwissender die Konsumenten sind.
Wenn jetzt auch noch die Anbauverbände Demeter, Bioland und Naturland Handelsverträge mit den Discountern abschließen, wird immer fraglicher, ob die Zahl der qualitätsbewußten Verbraucher und ihre Bereitschaft reicht, regionale Produkte mit höheren Preisen zu kaufen und damit die regionalen Biobauern zu fördern. Und ob sie im kooperativen Rahmen bereit sind, für geringer beaufschlagte Ware auch eigene Mitarbeit also Zeit einzusetzen, auch.
In kleineren Städten wie Witten, umgeben von vielen Biohöfen, gibt die „Grüne Perle“, ein genossenschaftlicher Regional-Bioladen ein zuversichtliches Beispiel – zu sehen bei www.wittener-regionalladen.de
Aber in einer luxuriös eingebildeten Großstadt wie Düsseldorf sieht es grundlegend anders aus. Da kommen keine 100 Genossen und Kunden zur Versammlung, um zu fragen und zu erfahren, wie es ihren Bauern geht – die sie nicht mal kennen – und wie man ihnen – womit denn ? – helfen kann.
Wenn also die Mehrheit lernunfähig oder bewußtseinsresistent zu sein scheint, sollten wir grade deshalb versuchen, gemeinsam zum Erhalt der Lebensqualität für Kinder und Enkel sorgen.
Hans-Rainer Jonas